Gut im Annehmen?

HARALD {28.2.2019}

Einatmen, ausatmen — anspannen, entspannen — wachen, schlafen. Das ist die Pumpe des Lebens. In der Liebe und im Liebesakt heißt es — geben, nehmen. Das antagonistische Prinzip gilt auch hier.

Wir alle sind in einer Kultur des Gebens aufgewachsen, wie es auch das Bibelwort „Geben ist seliger denn nehmen“ nahelegt. Es ist ja auch etwas Schönes darin, anderen eine Freude zu machen, und entdecken zu wollen, was denn Freude bereitet. Ich war immer gut im Geben, schließlich wollte ich ein guter Liebhaber sei. Aktiv sein, geben, nicht nachlassen – das ist ja auch ein männliches Dogma. Es war mir sogar ein wenig unangenehm, massiert zu werden. Ich habe in jüngeren Jahren auch keine Massage gebucht. Und ich mochte es nicht sonderlich, beschenkt zu werden und fand nicht leicht die richtigen Worte des Dankes.

Generös geben und generös nehmen

Heute weiß ich, dass die Pumpe nicht funktioniert, wenn man nur ausatmet. Etwas bedingungslos annehmen, ist selbst ein Geschenk. Man soll generös geben und auch generös annehmen. Das „generöse Annehmen“ braucht Selbstbewusstsein. Ich kann nur nehmen, wenn ich überzeugt bin, ein Geschenk verdient zu haben, es wert zu sein, beschenkt zu werden. Fehlt mir dieses Selbstbewusstsein, bin ich nicht ausreichend entspannt für die Liebe. Dann rechne ich andauernd und will sofort zurückgeben.

Drei Arten, etwas anzunehmen

Es gibt einer buddhistischen Geschichte zufolge drei Arten, wie eine Hand einen Stein annehmen kann. Sie kann den Stein gierig an sich reißen, ihn fest umschließen und umklammern. Die Hand kann den Stein aber auch ohne großes Interesse entgegennehmen und ihn kraftlos fallen lassen. Oder aber sie hält den Stein in der aufmerksam nach oben geöffneten Hand, wo er frei und sicher liegt. Die Hand entscheidet, was mit dem Stein passiert. Die annehmende Person gibt dem Geschenk eine Bedeutung. Wenn die Hand misstrauisch ist oder unsicher, hat es der Stein nicht leicht.

Eine Haltung des Wohlwollens

Die ideale Haltung für das Annehmen eines Geschenkes ist das Wohlwollen, wie der deutsche Therapeut Ulrich Clement betont. In dieser Haltung wird dem Gebenden „positiv unterstellt, dass er es gut meint und dass der Stein wertvoll ist und gern gegeben wird“. Das sind die wahren „Nehmerqualitäten“.

Übrigens habe ich von einem buddhistisch infiltrierten Bekannten einmal gehört, dass sich eigentlich der Gebende beim Beschenkten zu bedanken habe, weil er ihn beschenken darf. Dass das Geschenk angenommen wird, wäre schließlich keine Selbstverständlichkeit. Ich bin heute schon recht gut im Nehmen, aber soweit, dass ich von meiner Frau ein Danke begehre, nachdem sie mich bedingungslos verwöhnt hat, bin ich noch nicht.